Zum ersten Mal

Vor einigen Wochen fiel die Mauer. In den ersten Tagen waren viele sehr euphorisch und auch neugierig auf das, was nur wenige Kilometer von hier weg war. Den „Westen“, wie er überall genannt wird, konnte ich seit meinem Einzug in diese Wohnung jeden Tag vom Fenster aus sehen. Gestern hatte ich einen dienstfreien Tag und war genauso neugierig. Ich war im Westen, nur wenige Minuten von der Wollankstraße entfernt.

In der S – Bahn nach Pankow merkte ich, das ein junger Mann mich beobachtet. Irgendwoher kannte ich ihn. Aber woher? Folgte er mir etwa? Ich hatte zwar dienstfrei, aber mich in der Dienststelle nicht abgemeldet und hinterlegt wie ich wo von wann bis wann heute zu erreichen war. Zum ersten Mal seit 5 Jahren tat ich das.

Der Mann schien etwa in meinem Alter zu sein. Er sah ganz gut aus, sportlich war er, fast schon ein kleiner Leckerbissen. Er war etwa so groß wie ich, vielleicht auch ein klein wenig größer. Aber warum sah er ständig in meine Richtung? Seit dem ich den S – Bahnhof verlassen habe ging er hinter mir. Ich war jetzt schon fast am ehemaligen S – Bahnhof Wollankstrasse und er war noch immer hinter mir. Als ich den Tunnel unter der Bahnstrecke passiert hatte, beachtete ich mehr die Auslagen in den Geschäften als das was hinter mir war. Die Schaufenster hier in Westberlin waren wesentlich bunter und anders ansprechender als bei uns in Buch oder Pankow, aber die Häuser nicht wesentlich besser, einige jedenfalls andere aber doch erheblich.

Als ich auf dem Rückweg war und wieder auf ostberliner Seite, war der junge Mann plötzlich vor mir. Jetzt folgte quasi ich ihm und wir fuhren in derselben S – Bahn bis Buch. Drei Aufgänge neben dem meinen betrat der Mann das Haus. Auch ich ging in meinen Hauseingang und fuhr mit dem Aufzug in meine Wohnung, um zu Bett zu gehen. Dabei bekam ich wieder Lust, Frau zu sein. Warum nicht seine Frau. Wer weiß das schon? Der Abend mit ihm gemeinsam könnte jedenfalls interessant werden

Werbung